Ödipus Stadt

4. Mai 2013 in Wiesbaden

Von Sophokles, Euripides, Aischylos.

Internationale Maifestspiele 2013

Deutsches Theater Berlin

Inszenierung Stephan Kimmig
Mit dem Antiken-Projekt 'Ödipus Stadt' gelang dem Regisseur Stephan Kimmig und seinem Dramaturgen John von Düffel etwas Einzigartiges: Vier Stücke der griechischen Dramatiker Sophokles, Aischylos und Euripides verdichteten sie zu einer Chronik der Königsfamilie um Ödipus, seiner rivalisierenden Söhne Eteokles und Polyneikes und seiner Töchter Antigone und Ismene. Auf atemlos spannende Weise erzählt sich so auch die Geschichte Thebens, dessen machtpolitisches Überleben mit der Labdakiden-Dynastie untrennbar verbunden ist.
In einer eigens für das Deutsche Theater neu übersetzten und eingerichteten Fassung wird vom Niedergang der Stadt und ihrer Herrscher als Trilogie, als Dreischritt in die Katastrophe berichtet und damit der Blick über die großen Einzelhelden hinaus auf die Zusammenhänge von Mensch, Macht und Mythos gelenkt. Prägende Muster von Störung und Zerstörung zeigen sich in der Geschichte dieses Königshauses, in dem Gewalt Gewalt gebiert, Macht Gegenmacht herausfordert und Angst Angst provoziert.

'König Ödipus' und 'Antigone' von Sophokles sind zwei Urtexte des Theaters, der Inbegriff der Tragödie in der abendländischen Tradition. Die Geschichte des sich selbst richtenden Vatermörders und Muttergatten Ödipus und die seiner Tochter Antigone, die gegen die Staatsmacht für die Rechte ihres toten Bruders kämpft, sind eng verflochten. Betrachtet man sie einzeln und nur für sich, wird Antigones Rebellion um ihre Vorgeschichte gebracht und der Fall des Ödipus um seine Folgen. Beide Stücke sind Teil eines Mythos, sie bedingen einander und beschreiben erst in der Zusammenschau den ganzen Bogen der Geschichte ihrer Figuren. Das gilt nicht nur für Antigone als Vatertochter, sondern auch für ihren Gegenspieler Kreon, der als ihr Onkel und Herrscher von Theben oft nur als Exponent der Staatsraison verstanden wird, in der Gesamterzählung des Mythos aber eine ungeheure Entwicklung durchläuft: vom Ratgeber und Diplomaten als Schwager von König Ödipus, über den väterlichen Staatsmann, der seinen jüngsten Sohn opfern muss, bis hin zum Hardliner und Tyrannen. Eine politische Karriere und eine Geschichte der Deformation, die mit dem Schicksal der Stadt Theben und dem seiner Bürger eng verknüpft ist.

Die Zeit der Thronfolge von Eteokles und Polyneikes ist das fehlende Verbindungsglied zwischen den Stücken 'König Ödipus' und 'Antigone'. Diese Ära des Bruderzwists wird erzählt in den Dramen 'Sieben gegen Theben' von Aischylos und 'Die Phönizierinnen' von Euripides. Aus ihnen lässt sich das Mittelstück zusammensetzen, das die Brücke zwischen den beiden großen Sophokles-Tragödien schlägt und ihren Kontext herstellt. Eteokles und Polyneikes ringen als Rivalen um den väterlichen Thron. Doch aus Angst vor dem Zorn und Fluch des Vaters versuchen sie, ihren Machthunger zu zähmen und finden einen Kompromiss: Im Wechsel von einem Jahr wollen sie über Theben herrschen, einer nach dem andern. Doch dieses demokratische Experiment scheitert schon im ersten Versuch.

Eteokles, einmal auf dem Thron, weigert sich, ihn wieder abzugeben, als der Zeitpunkt gekommen ist. Stattdessen vertreibt er seinen Bruder, jagt ihn außer Landes, woraufhin Polyneikes in der Fremde ein mächtiges Heer versammelt und damit gegen seine Heimat zieht. Er will seine Rechte mit Gewalt durchsetzen, auf Gedeih und Verderb. Alle Vermittlungsbemühungen sind vergebens. Vernunft und Einsicht versagen angesichts der Eigendynamik der Macht. Es kommt zum Bruderkampf, in dem sich Eteokles und Polyneikes töten. Erst im Tod scheint Gleichheit wieder hergestellt, sind beide Brüder wieder vereint. Doch es ist eben diese Gleichheit, die Kreon als ehemaliger Mentor von Eteokles und neuer König zerstört. Er unterscheidet zwischen Freund und Feind, ehrt den einen Bruder als toten König und ächtet den anderen als Hochverräter. Er lässt Polyneikes unbestattet vor die Tore Thebens werfen und ruft damit den Widerstand Antigones auf den Plan. Mit diesem Staatsakt, der Ordnung schaffen und seinen Anfang als starker König markieren soll, beschwört Kreon sein Ende herauf. Ein ungleicher letzter Kampf beginnt. Während Kreon vom ersten Moment seiner Herrschaft an um sein politisches Überleben ringen muss, ist Antigone bereits einen Schritt weiter: Sie kämpft als Grablegerin ihrer Dynastie für das Recht der Toten.

Stephan Kimmig setzt in seiner hochkonzentrierten Inszenierung auf die hervorragenden Schauspieler, allen voran Ulrich Mattes als König Ödipus, dem jede Regung, jeder Gedanke, jeder Zweifel an den Augen abzulesen ist, bevor daraus Bewegung oder Sprache wird. Das langsame Erkennen der Schuld, der Unausweichlichkeit des Schicksals - selten hat ein Schauspieler das so überzeugend darzustellen vermocht. Susanne Wolff führt mit virtuosen Mitteln den Machtmenschen Kreon vor, entlarvt ihn in seinen leeren Posen und lässt zugleich die existentielle Angst eines zutiefst Verunsicherten um seinen Status, sein Amt sichtbar werden. Katrin Wichmann als Antigone begibt sich so konkret wie heftig in einen überraschend gegenwärtigen Diskurs um Recht und Gerechtigkeit. Schon mehrfach waren diese drei Ausnahmeschauspieler zu Gast bei den Internationalen Maifestspielen (u.a. 2011 in 'Kinder der Sonne' von Maxim Gorki und 2012 in der Trilogie 'Über Leben' von Judith Herzberg), und wir freuen uns, alle drei nun wieder begrüßen zu dürfen. 'Ödipus Stadt' gibt aber auch jungen, noch unbekannten Talenten die Chance, mit ihrem Können zu brillieren. Die Produktion gehört zu den großen Erfolgen des Deutschen Theaters Berlin in der aktuellen Saison.

Stephan Kimmig (Inszenierung) wurde 1959 in Stuttgart geboren. Er studierte von 1981 bis 1984 in München Schauspiel und ging anschließend als Regieassistent ans Berliner Schillertheater. Die Jahre 1988 bis 1996 verbrachte er in Amsterdam, um in der niederländischen und belgischen Off-Theater-Szene zu inszenieren. Von 1998 bis 2000 war er fester Regisseur am Schauspiel Stuttgart unter der Intendanz von Friedrich Schirmer. Er arbeitete zudem am Deutschen Theater Berlin, den Münchner Kammerspielen, dem Wiener Burgtheater sowie regelmäßig am Thalia Theater Hamburg unter der Intendanz von Ulrich Khuon. Ihm folgte er 2009 als Hausregisseur ans Deutsche Theater Berlin. Stephan Kimmigs Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet. Mehrfach bekam er Einladungen zum Berliner Theatertreffen, u.a. mit 'Thyestes' vom Staatstheater Stuttgart und den Produktionen 'Nora' und 'Maria Stuart', die er am Thalia Theater Hamburg inszenierte. Er erhielt den Wiener Nestroy-Preis, den FAUST-Theaterpreis des Deutschen Bühnenvereins und, gemeinsam mit seiner Ehefrau Katja Haß, den 3sat-Innovationspreis für zukunftsweisende Leistungen für 'Maria Stuart'. Regelmäßig sind Stephan Kimmigs Inszenierungen bei den Maifestspielen zu Gast. 2006 war das Ensemble des Thalia Theaters mit Thomas Manns 'Buddenbrooks' in der Fassung von John von Düffel zu sehen (2007 erhielt Kimmig für diese Arbeit den FAUST-Theaterpreis in der Kategorie Beste Regie Schauspiel), 2008 folgte die Thalia-Inszenierung von Schillers 'Maria Stuart'. Seine 2011 mit dem FAUST-Theaterpreis ausgezeichnete Inszenierung von Maxim Gorkis 'Kinder der Sonne' am Deutschen Theater Berlin war im selben Jahr nach Wiesbaden eingeladen, und im vergangenen Jahr stand, ebenfalls aus Berlin, Judith Herzbergs Trilogie 'Über Leben' auf dem Programm der Internationalen Maifestspiele.

19.00 Uhr Einführung im Foyer

Quelle: kulturkurier / Kulturclub.de

Wo ist das Event?
Hessisches Staatstheater Wiesbaden
Christian-Zais-Straße 3
65189 Wiesbaden
Wann ist das Event?
Samstag, 4. Mai 2013
19:30 Uhr
Seit 4009 Tagen vorbei!

StartseiteKalenderLexikonAppSitemapImpressumDatenschutzhinweisKontakt

Ödipus Stadt - Wiesbaden - 04.05.2013 – Copyright © 2024 Kleiner Kalender