Nach der Stille

oder: Was geschah, als Frau Rosenthal starb.

Was, wenn zwei Menschen, die beide nicht in der Lage sind, wirklich am Leben teilzunehmen, aufeinandertreffen? Was, wenn ihr Bindeglied eine alte, pflegebedürftige Frau wird? Was, wenn diese Frau stirbt? Wenn Stille unsagbar laut wird, fangen Menschen an zu reden, die normalerweise schweigen. Sie beginnen sich zu öffnen, wo sie sich sonst verschlossen hätten. Und plötzlich ist alles anders. Todsicher.

Die Autorin, die auch für die Regie des 90-minütigen Stücks zuständig ist, hat ein schwerwiegendes Thema aufgegriffen, mit Ernsthaftigkeit gefüllt und durch Regietricks und saftige Dialoge entschärft. Sie verknüpft diverse Lebenssituationen - die Konfrontation mit Krankheit und Sterben, die Sorglosigkeit junger Menschen, erste Liebe - und gibt dem Schauspieler-Duo Freiraum zu ganz persönlicher Entfaltung.

Da ist die Enkelin Marie-Luise, ein in sich zurückgezogenes Mädchen, das sich ans Bett der Großmutter flüchtet, um sich nicht im Alltag beweisen zu müssen. Scheinbar mit Hingabe kümmert sie sich um die Sterbende, von Franziska Wirth eindrucksvoll dargestellt. Das in einer Scheinwelt gefangene Mädchen wird von Katharina J. Ries hemmungslos, voll Hingabe und Herzblut gespielt. In jeder ihrer sanften Bewegungen, in jedem Zucken ihrer Gesichtsmuskeln, in kleinen Gesten drückt sich ihr Seelenzustand aus. So sehr sie sich als Marie-Luise über den jungen Mann entsetzt, der nun die Großmutter waschen und windeln wird, so sehr wird er für sie zum Glücksfall. Sein munteres Plappern löst sie aus ihrer eigenen Starre, endlich sind Schrei nach Befreiung und Sehnsucht nach Leben möglich.

Auch für Pfleger Roman ändert sich die Welt. Er akzeptiert ihr standhaftes Ignorieren der Realität, lässt ihr die Zeit des Abschiedsnehmens und sich selbst Findens. Jens Gärtner, der als Robin eine hoch professionelle und geglückte Leistung vorlegt, entschärft die Tragik der Situation und spielt skurrile Momente trefflich aus.Mainpost 17.11.2012

Text und Regie: Amelie Auer
Auf der Bühne:

Jens Gärtner
Katharina Ries
Franziska Wirth

Quelle: kulturkurier / Kulturclub.de