Peer Gynt

18. Mai 2014 in Wiesbaden

Düsseldorfer Schauspielhaus.

Internationale Maifestspiele 2014

Ein dramatisches Gedicht von Henrik Ibsen
Aus dem Norwegischen von Angelika Gundlach

Inszenierung Staffan Valdemar Holm


‚Peer Gynt‘ erzählt von einem Menschen, der von seinen Wünschen und Begierden getrieben ist und irgendwann doch nach dem großen Zusammenhang fragt. Was macht die Identität eines Menschen aus? In Düsseldorf hat der schwedische Regisseur Staffan Valdemar Holm Ibsens wohl fantastischstes Stück als modernes Kunstwerk inszeniert, das die Gegensätze zwischen Fakt und Fiktion, Realismus und Poesie, Folklore und Abstraktion aufhebt. Der Schauspieler Olaf Johannessen wurde für seine Darstellung des Peer Gynt für den deutschen Theaterpreis DER FAUST als bester Schauspieler nominiert.

‚Ein Leben soll ein Ganzes sein. Ich frage mich, ob das wahr ist.‘ (Staffan Valdemar Holm)

Ibsens ‚dramatisches Gedicht‘ war ursprünglich nicht für die Bühne gedacht, hat aber glücklicherweise dennoch Weltkarriere gemacht. Der liebenswerte Lügner Peer scheint immer auf der Flucht: Aus dem norwegischen Dorf seiner Kindheit entflieht er zunächst in die Abgründe der heimischen Sagenwelt, später an die Ränder des europäischen Kontinents. Wie die berühmte Zwiebel zerlegt Peer Gynt sein Selbst und findet keinen Kern.
Anders als seine anderen berühmten Stücke (‚Nora‘, ‚Die Stützen der Gesellschaft‘) ist ‚Peer Gynt‘ kein Wohnzimmerstück über das bürgerliche Selbstverständnis: Ibsen schreibt mit dem Stück die norwegische Geschichte des 19. Jahrhunderts nach, und sein Blick auf seine Landsleute ist kein schmeichelhafter. Am Ende des Stücks hat sich nicht nur Peer verändert, sondern auch die Welt.
Staffan Valdemar Holm inszeniert Ibsens Meisterwerk mit einer großen Leichtigkeit. Das hervorragende Ensemble brilliert in hinreißend funkelnden Szenen aus Sprachwitz und Körpertheater zum großen Vergnügen des Publikums (zu nennen wäre das Grimassenballett der Trolle und die Beinpantomime der vollverschleierten Anitra). Der Peer-Gynt-Darsteller Olaf Johannessen liefert eine überragende Parforcetour, ununterbrochen ist er auf der Bühne und zeigt seinen Peer als einen Suchenden und Getriebenen, als Schwerenöter und Brutalmacho, als Glückskind und Pechvogel. Er durchschreitet die Welt mit faustischem Verlangen und legt sowohl räumlich als auch inhaltlich weite Strecken zurück. Das fulminante Schlussbild zeigt einen gebrochenen Mann, der erkennen muss, dass das Gesuchte längst vor ihm lag.
Der Zuschauer betritt eine Ausstellung, eine moderne Galerie der Fotografie. Zumindest ist dies der erste Eindruck, denn an den Bühnenwänden und an den zusätzlichen, vielfach einsetzbaren Stellwänden dieses Bühnenraums hängen riesige Bilder, großformatige Schwarzweiß-Fotografien mit den unterschiedlichsten Motiven. Die Bilder scheinen auf den ersten Blick keine direkte Verbindung zum Inhalt zu haben: das Röntgenbild eines Vogels oder ein Paar beim Ausdruckstanz, ein einsamer Waldweg oder ein Vulkanausbruch und dergleichen mehr. Aber über den Abend entwickeln die Bilder im Zusammenhang mit den szenischen Vorgängen einen unwiderstehlichen Sog, der seine Strahlkraft auf mehreren Bewusstseinsebenen entfaltet – sinnlich, intellektuell, assoziativ – und der lange und intensiv nachwirkt. Die Bühne (Bente Lykke Møller) bildet die Natur nicht nach, sondern spielt auf die Stationen des Stücks an. Es ist die Ausstellung eines Lebens durch die Natur und die Kunst der Fotografie, die etwa zeitgleich mit ,Peer Gynt‘ entstanden ist.
So sieht der Zuschauer vor seinem Auge die unterschiedlichen Welten des Stücks – bombastische Fjordlandschaft in Norwegen, die Wüste, die Pyramiden – in denen die Kostüme, die dem nordischen Folklorestil des 19. Jahrhunderts nachempfunden sind, nicht deplatziert wirken und sogar das Auftauchen eines Trolls nicht unplausibel erscheint. Wie in der Geschichte sind auch im Bühnenraum die Grenzen zwischen Wahrheit und Erfindung aufgehoben.

Der im südschwedischen Tomelilla geborene Theater- und Opernregisseur Staffan Valdemar Holm (Inszenierung) war von August 2011 bis November 2012 Generalintendant am Düsseldorfer Schauspielhaus. Im Zeitraum von 1984 bis 1988 absolvierte er ein Regiestudium an der Staatlichen Theaterakademie in Kopenhagen. Im Jahr darauf gründete er das New Scandinavian Experimental Theatre. Von 1990 bis 1992 war er Hausregisseur am Königlichen Theater Kopenhagen, in den Jahren von 1992 bis 1998 Intendant am Theater Malmö. Sein Operndebüt als Regisseur gab er 1996, seitdem entstanden fünfzehn Operninszenierungen in Stockholm, Kopenhagen, Wien und Göteborg, unter anderem Wagners Ring-Zyklus an der Königlichen Oper Stockholm in den Jahren 2004 bis 2006.
Staffan Valdemar Holm war von 2002 bis 2009 Intendant des Königlich Dramatischen Theaters (Dramaten) in Stockholm, das mit acht Bühnen das größte Theater Skandinaviens ist. Insgesamt entwickelte er über 75 Theater- und Operninszenierungen in verschiedenen Ländern. In Deutschland entstanden – vor seiner Zeit in Düsseldorf – 2002 ‚Was ihr wollt‘ am Deutschen Theater Berlin und 2010 ‚Tartuffe‘ am Schauspiel Frankfurt. Zahlreiche Gastspiele seiner Inszenierungen waren in der ganzen Welt zu sehen, unter anderem in New York, St. Petersburg, Turin, der Schaubühne Berlin, in Warschau und Madrid. Mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Bente Lykke Møller, die für die Gesamtausstattung von Holms Düsseldorfer Inszenierungen von Shakespeares ‚Hamlet‘ und ‚Richard III.‘ verantwortlich ist, verbindet ihn eine langjährige Zusammenarbeit.
Die internationale Kooperation der Theater ist ein Schwerpunkt von Holms Arbeit. In diesem Sinne war er von 2005 bis 2007 Vizepräsident der Europäischen Theaterunion und seit 2007 Mitbegründer des europäischen Theaternetzwerks Mitos21, dem das Düsseldorfer Schauspielhaus angeschlossen ist. Im Jahr 2007 gründete er das Ingmar Bergman International Theatre Festival in Stockholm. Er erhielt zahlreiche renommierte Theaterpreise für seine Inszenierungen, unter anderem den großen Theaterpreis der Schwedischen Akademie (zusammen mit Bente Lykke Møller) und die Königliche Medaille Litteris et artibus in Schweden.

Olaf Johannessen (Peer Gynt), geboren 1961 auf den Faröer Inseln, wurde an der Schauspielschule in Odense ausgebildet. Von 1995 bis 2004 war er Ensemblemitglied am Königlichen Theater Kopenhagen, seither arbeitet er als freier Schauspieler für Theater, Film und Fernsehen. Zuletzt drehte er ‚Everything will be fine‘ in der Regie von Christoffer Boe. Beim Bergman-Festival in Stockholm 2009 trat er mit ‚The Obama Victory Speech Project‘ auf. In Staffan Valdemar Holms Inszenierung von ‚Richard III.‘ spielte er Edward IV. Er erhielt 2010 gemeinsam mit Paprika Steen den Lauritzen Preis für Schauspieler. Für die Rolle des dänischen Ministerpräsidenten Kristian Kamper in ‚Kommissarin Lund – Das Verbrechen‘ erhielt er den ‚Robert‘ der dänischen Filmakademie für die beste männliche Nebenrolle. Für die Rolle des Peer Gynt war er 2013 für den deutschen Theaterpreis DER FAUST nominiert.

Quelle: kulturkurier / Kulturclub.de

Wo ist das Event?
Hessisches Staatstheater Wiesbaden
Christian-Zais-Straße 3
65189 Wiesbaden
Wann ist das Event?
Sonntag, 18. Mai 2014
19:30 Uhr
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