Elegie für junge Liebende

8. Juli 2014 in Wiesbaden

Oper in drei Akten von Hans Werner Henze.

Internationale Maifestspiele 2014

Eröffnungspremiere

Deutsche Fassung von Ludwig Landgraf, Werner Schachteli und Hans Werner Henze
In deutscher Sprache mit Übertiteln

Musikalische Leitung Zsolt Hamar
Inszenierung Dietrich W. Hilsdorf

Der 2012 verstorbene Komponist Hans Werner Henze ist ein signifikanter Künstler für eine ganze Epoche. Wie ein Seismograf hat er die feinsten gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen seines Jahrhunderts registriert und sie zum Bestandteil seiner Werke gemacht. Zur Eröffnung der Internationalen Maifestspiele 2014 zeigt das Hessische Staatstheater Wiesbaden seine frühe Oper ‚Elegie für junge Liebende‘, die zu seinen meistgespielten Werken zählt, als Wiesbadener Erstaufführung. Henzes Werk zeichnet sich durch eine seltene Vielfalt und Spannweite aus. Als Lehrer, Festivalleiter, Förderer junger Talente und Impulsgeber gehört er zu den prägenden Protagonisten und Pionieren im Projekt der Moderne, das er auch politisch aktiv begleitete. Er hat als einer der Ersten in den 1960er Jahren zahlreiche Education-Projekte ins Leben gerufen und geleitet. Zuvor sammelte er erste Erfahrungen an Theatern, so auch in Wiesbaden, wo er 1950 als Künstlerischer Leiter und Ballettdirigent am Hessischen Staatstheater engagiert war. Die 1950er Jahre brachten ihn mit Ingeborg Bachmann zusammen und zogen ihn nach Italien, wohin er 1953 auswanderte, um der beklemmenden Situation in der Bundesrepublik zu entkommen. Dort lernte er unter anderem Luigi Nono und W. H. Auden kennen, der das Libretto zu ‚Elegie für junge Liebende‘ schrieb. Nördlich der Alpen schlug seinem Werk aber erst noch kalter Wind entgegen: 1957 kam es bei der Uraufführung von ‚Nachtstücke und Arien‘ in Donaueschingen zum Affront durch die Avantgarde-Trias Stockhausen-Boulez-Nono, denen die Musik Henzes zu ,schön‘ war. Das hinderte Henze aber nicht daran, weiter auf seinem Weg zu gehen. 1959 entstand die erste Fassung der Oper ‚Elegie für junge Liebende‘, die 1961 bei den Schwetzinger Festspielen uraufgeführt wurde. Die grundlegende Revision von 1987 liegt der Wiesbadener Erstaufführung zu Grunde.

‚Es führt von der Poesie kein direkter Weg ins Leben, aus dem Leben keiner in die Poesie‘, formulierte Hugo von Hofmannsthal. Diesem Dichter der vorletzten Jahrhundertwende ist die dreiaktige Oper ‚Elegie für junge Liebende‘ gewidmet. Das Werk begibt sich nun auf just jenen Weg, der Poesie und Leben verbindet und zeigt, wie ein Gedicht entsteht, dessen Titel auch die Oper bezeichnet. Im Zentrum der Geschichte stehen ein Künstler und sein Werk: Der ebenso charismatische wie skrupellose Dichter Gregor Mittenhofer hat sich gemeinsam mit seinen Getreuen, die ihm in geheimer Sorge um das Werk hörig sind, im Berggasthaus ‚Schwarzer Adler‘ eingefunden. Der Dichter hofft auf visionäre Eingebungen der Witwe Hilda Mack, die seit 40 Jahren in zunehmender geistiger Verwirrung auf die Rückkehr ihres am Berg verschollenen Mannes wartet. Als überraschend vom Gletscher die Leiche des Verschollenen freigegeben wird, versiegt Mittenhofers Inspirationsquelle. Doch der Dichter hat schon eine Eingebung für sein nächstes Werk: Der Sohn seines Freundes Dr. Reischmann hat sich während seines Besuches in Elisabeth Zimmer, die junge Geliebte Mittenhofers, verliebt. Er schickt das Paar auf eine Bergtour, die auf Grund des aufziehenden Schneesturms gefährlich wird. Das Ende des Paares wird das Thema seiner neuen Dichtung mit dem Titel ‚Elegie für junge Liebende‘.

Als Motto hat der Librettist W. H. Auden seiner Oper ein Zitat von William Butler Yeats vorangestellt: ‚Der Geist des Menschen muss sich entscheiden für die Vollkommenheit des Lebens oder des Werkes.‘ Sowohl der Dichter Gregor Mittenhofer als auch seine Entourage erleben im Stück den bitteren Beigeschmack davon, im Dunstkreis der Kunst instrumentalisiert zu werden, und was es heißt, wenn jeglicher Lösungsversuch tödlich endet. Henze spricht von einem ‚echten Mythos‘, den das Stück birgt, ‚denn das Nichtvorhandensein einer Identität von Gut und Schön, vom Charakter des Menschen und dem seiner Schöpfungen, ist ein permanenter Aspekt der menschlichen Situation‘.
Die Musik Henzes ist von einer luziden Künstlichkeit, die mit Montage, Zitaten und auch Parodie arbeitet. So erhält beispielsweise die Visionärin Hilda Mack Züge der wahnsinnigen Lucia di Lammermoor. Die Figuren werden durch obligate Instrumente charakterisiert: Hilda durch die Flöte, Elisabeth durch die Violine, Gregor durch Blechbläser. Ein artifizielles Netz aus Beziehungen entsteht, das die Zuhörer in dem gefangen hält, was Hofmannsthal als ‚traumhaft deutlichen, flüchtigen Seelenzustand, den wir Stimmung nennen‘ beschrieb.

Um die Vielfalt des Schaffens Hans Werner Henzes, der das Komponieren immer als eine ‚Angelegenheit des Kontakts mit anderen Menschen‘ betrachtete, aufzufächern und erfahrbar zu machen, widmet sich das Hessische Staatstheater Wiesbaden in einem Rahmenprogramm unter dem Titel ,Henze Extra‘ seinem Wesen und Wirken. In Zusammenarbeit mit der FilmBühne Caligari kommt der Film ,Eine Liebe von Swann‘ von Volker Schlöndorff mit der originalen Filmmusik von Henze und ein Kammermusikerkonzert mit dem Mutare-Ensemble zur Aufführung. Einführungen zur Oper ‚Elegie für junge Liebende‘ sowie ein Gespräch mit Weggefährten Henzes bringen uns dem großen Komponisten und seinem Werk näher.

Die musikalische Leitung der Neuproduktion liegt bei Generalmusikdirektor Zsolt Hamar, der mit Beginn der Spielzeit 2012/13 sein Amt als Generalmusikdirektor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden antrat und neben der Eröffnungspremiere ‚Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny‘ der Maifestspiele 2013 auch die Neueinstudierung der Opern ‚Aida‘, ‚Lucia di Lammermoor‘, ‚Ariadne auf Naxos‘, ‚Der fliegende Holländer‘ und ‚Die Liebe zu den drei Orangen‘ leitete. Er stammt aus Budapest, wo er am Béla-Bartók-Konservatorium Komposition und an der Franz-Liszt-Musikakademie Budapest Dirigieren studierte. Nachdem Zsolt Hamar fast alle ungarischen Orchester geleitet hatte, berief ihn im Herbst 1997 die Ungarische Nationalphilharmonie zum Ersten Ständigen Dirigenten. Von 2000 bis 2009 übernahm er die Position des Chefdirigenten und Künstlerischen Leiters des Pannon Philharmonischen Orchesters der Stadt Pécs, der Kulturhauptstadt Europas 2010. Von 2002 bis 2007 war Zsolt Hamar Erster Ständiger Gastdirigent des Orchestra di Padova e del Veneto. Neben seiner Tätigkeit als Konzertdirigent widmet sich Zsolt Hamar seit Beginn seiner Karriere mit großer Leidenschaft der Oper. So war er neben seiner ständigen Verpflichtung an der Staatsoper Budapest regelmäßig an internationalen Opernhäusern zu Gast, darunter an den Theatern in Lissabon, Cagliari, Verona, Florenz und Frankfurt. Am Opernhaus Zürich debütierte Zsolt Hamar mit großem Erfolg im Mai 2007 und wirkte dort als Ständiger Gastdirigent. Seit 2009 ist er Gastprofessor an der Franz-Liszt-Musikakademie Budapest. Zsolt Hamar wurde für seine künstlerischen Verdienste vom ungarischen Präsidenten mit dem Ritterkreuz der Republik Ungarn ausgezeichnet und vom ungarischen Kulturminister mit dem Franz-Liszt-Preis.

Dietrich W. Hilsdorf (Inszenierung) hat seit 1978 über 150 Inszenierungen in den Sparten Schauspiel, Oper und Musical erarbeitet. Große Erfolge hatte er besonders mit zeitgenössischen Opern, einem Gelsenkirchener Mozart-Zyklus, Verdi-Inszenierungen am Aalto-Theater in Essen, Bonner Händel-Inszenierungen und Opern von Puccini an der Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf. In den vergangenen Spielzeiten zeichnete er für die Inszenierungen von ‚La forza del destino‘, Händels Oratorien ‚Semele‘ und ‚Herkules‘, ‚Falstaff‘ und ‚Die Walküre‘ in Essen verantwortlich, außerdem für ‚Jephta‘ in Bonn. Am Theater Chemnitz inszenierte er ‚Die Liebe zu den drei Orangen‘ (Theaterpreis DER FAUST für die beste Regie 2007), die Deutsche Erstaufführung der Eötvös-Oper ‚Love and other Demons‘ sowie Puccinis ‚La Bohème‘. An der Oper Leipzig entstanden zuletzt ‚Jenufa‘ und ‚Deutsches Miserere‘ (Brecht/Dessau) und in Köln ,Eugen Onegin‘, ‚La traviata‘ und ‚L’incoronazione di Poppea‘. Nach Wiesbaden, wo er bereits von 1986 bis 1993 zahlreiche Opern inszenierte, kehrte er 2002 mit der Intendanz von Manfred Beilharz als Regisseur für Oper und Schauspiel zurück. Hier inszenierte er seither ,Die Dreigroschenoper‘, ‚Macbeth‘ und ‚Don Carlos‘, ‚Johannes-Passion‘, Schillers ‚Maria Stuart‘, ‚Eines langen Tages Reise in die Nacht‘, ‚Tristan und Isolde‘ sowie ‚Der Freischütz‘. Mit der Inszenierung von ‚Simon Boccanegra‘ setzte er 2012 in Wiesbaden seine Reihe erfolgreicher Verdi-Arbeiten fort und widmet sich jetzt mit seiner Interpretation von ‚Elegie für junge Liebende‘ wieder einer Oper des 20. Jahrhunderts.

Quelle: kulturkurier / Kulturclub.de

Wo ist das Event?
Hessisches Staatstheater Wiesbaden
Christian-Zais-Straße 3
65189 Wiesbaden
Wann ist das Event?
Dienstag, 8. Juli 2014
19:30 Uhr
Seit 3552 Tagen vorbei!

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