Ich rufe meine Brüder

20. Juni 2014 in Wiesbaden

Von Jonas Hassen Khemiri.

Theaterbiennale NEUE STÜCKE AUS EUROPA 2014

Schweden

Kulturhuset Stadsteatern Stockholm

Inszenierung Farnaz Arbabi

Ein Auto ist in Stockholm explodiert. Amor, ein junger Student mit Migrationshintergrund, wandert durch die aufgeregte Stadt, in der es vor Polizei nur so wimmelt, und ist eigentlich nur auf der Suche nach einem Ersatzteil für seine Bohrmaschine. In der einen Tasche ein Handy, in der anderen ein Messer, versucht er, sich so normal wie irgend möglich zu verhalten. Aber welches Verhalten ist schon normal? Wer ist ein potentieller Verdächtiger? Und was geschieht, wenn einen argwöhnische Blicke streifen?

Die Zuschauer blicken in Amors Kopf, wo die Grenzen zwischen Täter und Opfer, Liebe und Chemie, Paranoia und Realität innerhalb von 24 Stunden zusehends verschwimmen. – Amor, eigentlich ein ganz normaler junger Mann mit hoher Sozialkompetenz, verliert zusehends den Blick für die richtige Einschätzung seiner Lage und ruft seine ‚Brüder‘ (und sogar seine Großmutter im Jenseits) an, in der Hoffnung, dadurch wieder klarer zu sehen.

Das Stück basiert auf einer Zeitungskolumne, die Khemiri im Dezember 2010 – eine Woche nach einem Selbstmordattentat in Stockholm – veröffentlicht hatte, und schildert ebenso beängstigend wie humorvoll, was Paranoia alles anrichten kann und wie leicht sich Perspektiven in einer dafür empfänglichen Gesellschaft manipulieren lassen.

Der schwedisch-tunesische Autor, der 2013 mit einem offenen Brief an die schwedische Justizministerin, in dem er seine Erlebnisse mit alltäglicher Diskriminierung schilderte, für großes Aufsehen sorgte, greift in seinem Stück auch auf eigene Erfahrungen zurück. Um die allgemeine Ungewissheit und das Verschwimmen der Grenzen zu verstärken, lässt er, wie in mehreren seiner Stücke, die Schauspieler in verschiedene Rollen schlüpfen.

Jonas Hassen Khemiri, Sohn einer Schwedin und eines Tunesiers, wurde 1978 in Stockholm geboren und studierte Wirtschaftswissenschaften in Paris sowie Literatur an der Universität Stockholm. Sein Schriftstellerdebüt feierte er 2003 mit dem Roman „Ett öga rött“ („Das Kamel ohne Höcker“), der vielfach prämiert – u.a. mit dem Borås-Tidnings-Preis für das beste schwedische literarische Debüt – und für die Theaterbühne adaptiert wurde. Sein erstes Theaterstück „Invasion!“ (2006) erlebte neben zahlreichen Inszenierungen im deutschsprachigen Raum auch Produktionen in New York, London und Paris. Seine bislang drei Romane und sechs Theaterstücke wurden in mehr als 15 Sprachen übersetzt und von über 40 Theatern gespielt.

Zu Khemiris zahlreichen Auszeichnungen gehören der Per-Olov-Enquist-Preis für junge zukunftsweisende Autoren, zwei schwedische Radiopreise, der begehrte Bellman-Preis der Schwedischen Akademie sowie der norwegische Hedda Award für das beste Theaterstück. 2007 nahm er an der International Residency des Royal Court Theatre in London teil sowie 2009 am Berliner Künstlerprogramm des DAAD. Gleich zweimal wurde er in die Writers Omi International Residency des Ledig House in New York eingeladen. Bei NEUE STÜCKE AUS EUROPA wurde 2010 sein Stück „Wir sind Hundert“ gezeigt.

In seinen Stücken spielt der Autor mit Identitätsfragen, Selbstfindungsproblemen und kulturellen Verwirrungen und trifft damit immer wieder ebenso humorvoll wie schmerzhaft einen Nerv der Zeit. „Khemiri bringt das heutige Schweden neuen Publikumsgruppen näher“, so schwärmte 2008 die schwedische Presse.

Quelle: kulturkurier / Kulturclub.de

Wo ist das Event?
Hessisches Staatstheater Wiesbaden
Christian-Zais-Straße 3
65189 Wiesbaden
Wann ist das Event?
Freitag, 20. Juni 2014
19:30 Uhr
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