Heroes (Just for one Day)

Von Vincent Hennebicq.

Theaterbiennale NEUE STÜCKE AUS EUROPA 2014

Belgien

Théâtre National, Brüssel

Inszenierung Vincent Hennebicq

Zu seinem ersten eigenen Stück ließ sich der junge Theatermacher Vincent Hennebicq u.a. von einem Song David Bowies inspirieren, dem er den Titel seiner Produktion entlieh: „We can be heroes. Just for one day“ heißt es dort. Hennebicq nimmt die Zeile wörtlich und erzählt die Geschichte eines alten Mannes, der im Heim dem Ende seines Lebens entgegensieht. Ihm wird bewusst, was er alles versäumt hat und welch eine Befreiung es wäre, ein einziges Mal, nur für einen Tag, die Zwangsjacke der Bequemlichkeit und der Konventionen von sich zu reißen: Ein Held zu sein, der die Freiheit hat, nur das zu tun, was er möchte.

So tauscht er seine Alltagskleidung gegen Rockeroutfit und Indianerkopfschmuck und wird zu Popi Jones, einem Rockstar. Ebenso überschäumend wie melancholisch macht er sich auf die Suche nach Verpasstem und nach dem, was wirklich wichtig ist im Leben. Endlich einmal wagt er zu sagen, worüber er sonst immer schwieg. Auch seine jahrzehntelange große Liebe kommt zu Wort. Und tiefe menschliche Abgründe tun sich auf, wenn Popis Sohn in furiosen Monologen dem Vater schonungslos den Frust und die Enttäuschung des vernachlässigten Kindes entgegenschleudert. Der Darsteller des Sohnes, Raven Ruëll, der Hennebicq auch aus der erfolgreichen Zusammenarbeit bei Brechts „Baal“ vertraut war, hat diese Monologe selbst verfasst. Den Schauspieler Jean-Pierre „Popi“ Baudson wiederum kannte Hennebicq bereits aus seiner ersten Regiearbeit „Parasiten“: Ihm ist die Rolle, in die er mit seinem eigenen Namen eintaucht, auf den Leib geschrieben. Ebenso wie er schlüpfen auch die anderen Schauspieler in die Rolle von Musikern und werden zu „Les Popettes“, denn Hennebicq macht aus diesem eintägigen Befreiungsakt ein veritables Rockkonzert mit reichlich rockiger Musik, klassischen Klängen – und ebenso vielen leisen Tönen.

Am Ende des Tages wird aus Popi Jones wieder der alte Mann, der aus seinem realen Leben nur noch einen Ausweg sieht. Was im Raum bleibt, ist die Gewissheit: „Ja, wir alle können Helden sein, Helden unseres eigenen Lebens. Aber wäre das nur für einen Tag? Und können wir uns das aussuchen?“

Der dreißigjährige Schauspieler und Regisseur Vincent Hennebicq studierte bis 2006 an der Schauspielschule in Liège. Als Darsteller hat er mit Regisseuren wie Fabrice Murgia („Gott ist ein DJ“), Jeanne Dandoy („Game over“), Michael Delaunoy („Loin de Corpus Christi), Coline Struyf („L’Insurrection qui vient“, „Ein Kind unserer Zeit“) zusammengearbeitet. In einer Produktion des Theaters Antigone aus der belgischen Stadt Kortijk (in Koproduktion mit dem Théâtre National) spielte er den Baal in Bertolt Brechts gleichnamigen Stück, das Jos Verbist und Raven Ruëll in Szene gesetzt hatten. Dafür erhielt er 2011/2012 den Belgischen Kritikerpreis als bester männlicher Nachwuchsdarsteller. Die Jury lobte nicht nur seine schauspielerische Leistung, sondern auch seine sprachliche Geschicklichkeit, da er seine Rolle sowohl in Französisch als auch in Flämisch einwandfrei beherrschte: „Wenn man ‚Baal‘ gesehen hat, hat man keinen Zweifel mehr daran, dass er in beiden Landessprachen zuhause ist.“

Zunehmend wendet sich Hennebicq dem Regiefach zu: 2012 debütierte er als Regisseur mit „Parasiten“ von Marius von Mayenburg im Théâtre National. Besonderes Augenmerk legte er auf die Personenregie: „Wenn man alles im Leben verloren hat, wenn man keinen Sinn mehr darin sieht, so bleibt nur eines … das Leben. Man muss dafür sorgen, dass diese Energie hervortritt, die uns trotz allem und durch alle Widrigkeiten antreibt zu leben.“

Mit seiner zweiten Regiearbeit „Heroes (Just for one day)“ debütierte Hennebicq zugleich auch sehr erfolgreich als Autor.

Quelle: kulturkurier / Kulturclub.de