Lippy

27. Juni 2014 in Wiesbaden

Von Bush Moukarzel und Mark O'Halloran.

Theaterbiennale NEUE STÜCKE AUS EUROPA 2014

Irland

Dead Centre, Dublin

Inszenierung Ben Kidd, Bush Moukarzel

Das Publikum kommt zu „Lippy“ als wolle es an einem Künstlergespräch über ein Stück teilnehmen, das es nie gesehen hat. Die Diskussion ist entspannt, vielleicht ein bisschen holprig. Die Lichter gehen an. Das Gespräch bezieht einen der Darsteller aus dem Stück ein, einen Lippenleser. Er spricht über seine Arbeit. Und dann erklärt er, warum es viel lustiger ist, an einem Stück mitzuarbeiten als für die Polizei: Er erzählt von einem Selbstmord, an dessen Aufklärung er einst mitgearbeitet hatte, wie er auf den Bildern einer Überwachungskamera die letzten Worte von den Lippen vierer Frauen abgelesen hat. – Und ganz langsam beginnen die Worte aus allen Darstellern herauszuschlüpfen. Die Münder bewegen sich langsam, die Wörter sind dazu nicht synchron. Die Welt der Stückdiskussion zerfällt: Die Bühne bricht zusammen, die Hinterwand öffnet sich und offenbart eine neue Landschaft; wir reisen mit ihm zurück in die Zeit. „Dead Centre"

Gemeinsam mit dem Lippenleser nähern sich die Zuschauer einem Ereignis aus dem Jahre 2000 an, das viele Fragen aufgeworfen und die irische Öffentlichkeit lange beschäftigte hat: Damals zogen sich in dem ostirischen Städtchen Leixlip vier Frauen – eine Tante mit ihren drei erwachsenen Nichten – in ihr Haus zurück, verbarrikadierten es und hungerten sich 40 Tage lang zu Tode. Augenscheinlich aus religiösen Gründen.

Dies wäre begehrter Stoff für ein dramatisches Theaterstück – doch Dead Centre macht bewusst, dass man dem tatsächlich Geschehenen nicht gerecht würde, wenn man aus den Frauen Stückcharaktere formte und ihnen erdachte Worte in den Mund legte. Stattdessen fragt „Lippy“ selbstreflexiv nach den Möglichkeiten des Theaters: Wie kann man sich mit einem realen Ereignis auseinandersetzen und es darstellen, ohne sich davon zu entfernen? „Alles ist im Kontext zu sehen“, lautet eine der entscheidenden Antworten.

Dieses ungewöhnliche und vielschichtige Projekt, in dem auch die Biennale-Patin Gina Moxley als eine der vier Frauen mitspielt, wurde als „explosives Theaterexperiment“ (Irish Times) aufgenommen und gilt vielen als wegweisend für eine neuartige Theaterform. Beim Dublin Fringe Festival uraufgeführt, wurde es dort als „Beste Produktion“ und für die „Beste Gesamtgestaltung“ prämiert.

Bush Moukarzel wurde nach dem Studium der Psychoanalyse am Trinity College in Dublin Schauspieler und spielte sowohl in zahlreichen Theaterproduktionen als auch in Film und Fernsehen mit. 2001 wurde er mit dem Hairline Highlight Fringe Theatre Award, 2006 mit dem Winner Best Actor-Award ausgezeichnet. Dann wandte er sich zunehmend der Kreation von Stücken zu und gründete 2012 gemeinsam mit Ben Kidd und Adam Welsh in Dublin die Theatergruppe Dead Centre, deren bisherige Stücke „Souvenir“, „(S)quark!“ und „Lippy“ er schrieb und als Co-Regisseur mitinszenierte. Die One Man Show „Souvenir“, in der er auch die Solorolle spielte, wurde in drei Kategorien für den Absolut Fringe Award 2012 nominiert. Auch in seinem Stück „Lippy“ steht Moukarzel – als Host – mit auf der Bühne.

Mark O‘Halloran hat sich als Cameo-Autor an Lippy beteiligt. Gebürtig aus Ennis, County Clare, schreibt für Film, Fernsehen und Theater. Zu seinen erfolgreichsten Stücken gehören „Garage“, „Prosperity“ und „Trade“. Nicht nur für seine Stücke, sondern auch für seine Schauspielkunst wurde er mehrfach ausgezeichnet. Besonderen Zuspruch bei Publikum und Kritik fand sein Film „Adam and Paul“ über zwei Heroinabhängige in den Straßen Dublins. O‘Halloren, der in diesem Film auch die Rolle des Adam spielte, wurde dafür von dem spanischen Gijón International Film Festival 2005 als bester Darsteller ausgezeichnet.

Quelle: kulturkurier / Kulturclub.de

Wo ist das Event?
Wartburg - Hessisches Staatstheater Wiesbaden
Christian-Zais-Straße 3
65189 Wiesbaden
Wann ist das Event?
Freitag, 27. Juni 2014
18:00 Uhr
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