Jesse Thoor, neu entdeckt.

Im Gespräch Peter Hamm (Autor, Tutzing) Michael Lentz (Autor, Berlin)

Er ist einer der großen Unbekannten der deutschen Literatur: Jesse Thoor, der eigentlich Peter Karl Höfler hieß. "Am 23. Januar 1905 unter Schmerzen im Schatten einer Monarchie geboren / Auf Stroh mit Lumpen zugedeckt, später das Schädelchen kahl geschoren. / Gelernt bei den grauen Schwestern Beten, Singen und Speichelschlucken, / wenn Luft im Magen gärt und Träume wie der Frühling seinen Nacken jucken." Jesse Thoors Selbstporträt als Proletarier deutet eine starke poetische Handschrift an. Sie brachte ihm den Vergleich mit Villon und Rimbaud ein. Franz Werfel erkannte in den Sonetten des ehemaligen Kommunisten sogar "die erstaunlichste Leistung, die mir auf dem Gebiete deutscher Lyrik seit Jahren begegnet ist", und Werfel war es auch, der mit seiner Stipendiums-Empfehlung dem Dichter 1939 die Flucht nach London ermöglichte, wo er bis zu seinem Tod 1952 lebte.
Jesse Thoor hat ein schmales Werk hinterlassen. 1948 erschien sein einziges Buch zu Lebzeiten: "Sonette". Seine Gedichte und seine Erzählungen zeichnet eine am Alltag orientierte, einfache und konkrete Sprache aus, die er formal raffiniert zu arrangieren wusste. Thoors Werk zeugt höchst eindringlich vom existentiellen Ringen. Schonungslose Realitätserfahrung, aber auch spirituelle und mystische Einsichten setzte er den vermeintlich heroischen Zeiten entgegen.
Mit "Jesse Thoor: Das Werk", herausgegeben von Michael Lentz, setzen die Wüstenrot Stiftung und die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ihre Editionsreihe fort, die literarische Texte, die vom Vergessen bedroht sind, dem Buchmarkt zugänglich macht. Die Reihe erscheint im Wallstein Verlag.
Michael Lentz und Peter Hamm, vorzügliche Kenner des Werkes von Jesse Thoor, lesen Texte des Dichters und sprechen über den großen Unbekannten der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts.

Buchpräsentation der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Wüstenrot Stiftung und des Wallstein Verlags in Zusammenarbeit mit der Literaturwerkstatt Berlin.

Quelle: kulturkurier / Kulturclub.de