Gift

20. Mai 2014 in Wiesbaden

Deutsches Theater Berlin.

Internationale Maifestspiele 2014

Von Lot Vekemans
Deutsch von Eva Pieper und Alexandra Schmiedebach

Inszenierung Christian Schwochow


Ein leiser Abend für zwei großartige Schauspieler: Dagmar Manzel und Ulrich Matthes. Sie spielen in dem Stück der niederländischen Autorin Lot Vekemans ein geschiedenes Paar, das nach dem Tod des gemeinsamen Sohnes nicht mehr miteinander leben konnte. Er verließ sie, ging in die Normandie, suchte sich eine neue Frau und versuchte, in die Normalität zurück zu kehren. Sie vergrub sich in ihrem Schmerz. Lot Vekemans erzählt eine Geschichte, die so unspektakulär und wahr ist wie das Leben selbst. Und der Regisseur Christian Schwochow lässt seinen Protagonisten den Raum, diese Geschichte authentisch und berührend zu entfalten.

Zehn Jahre lang hat er nichts von sich hören lassen. Nun sitzen sie beide in einem kalten Raum, der nur vom Brummen eines Kaffeeautomaten belebt wird. Ein Flur in der Verwaltung des Friedhofs, auf dem ihr Sohn begraben ist. Er starb bei einem Autounfall. Sie schrieb ihm, das Grab des Sohnes müsse umgebettet werden, weil Gift im Boden entdeckt wurde.
Scheu und spröde spielen Dagmar Manzel und Ulrich Matthes das Wiedersehen. Sie hat gleich vorsorglich die Handtasche auf dem Stuhl neben sich platziert, damit er ihr ja nicht zu nahe kommt. Er macht Smalltalk vor dem Kaffeeautomaten. Die Fremdheit überwiegt. Doch bald fallen sie routiniert zurück in die alten Streitmuster. Die Wunden brechen wieder auf. Warum musste ihr Sohn sterben? Warum ging der Mann weg und ließ sie allein? ‚Ich will wieder glücklich sein. Ist das zu viel verlangt?‘
Aber zunehmend gelingt es ihnen auch, wirklich miteinander zu sprechen. Liebevolle Vertrautheit wird wieder möglich. Er gesteht ihr halb belustigt, dass ihm das Singen in einem Chor geholfen habe, die Trauer zu überwinden. Dann umarmt er sie fest und summt ein Lied für sie. Am Ende gehen sie auseinander, jeder wieder in seine eigene Welt.

Lot Vekemans nennt ihr Drama ‚Gift‘, das 2009 in Gent uraufgeführt wurde, eine Ehegeschichte. Dass diese Ehe längst nicht mehr besteht, ist unwichtig, weil die beiden namenlosen Protagonisten im Gespräch wieder zu einem eng verbundenen Paar werden.

Lot Vekemans schreibt über ihr Stück: ‚Es ist mein Hauptinteresse herauszufinden, wie wir in Situationen agieren, über die wir keine Kontrolle haben. (...) Nicht die Kontrolle zu haben, ist nicht angenehm, es macht uns Angst, und man könnte sagen, dass das eine negative Weltsicht ist. Aber für mich ist es das Gegenteil.‘

Lot Vekemans, geboren 1965 in Oss in den Niederlanden, studierte Soziale Geografie an der Reichsuniversität Utrecht. Im Anschluss daran absolvierte sie die Ausbildung zur Theaterautorin an der Akademie für Autoren ‚t Colofon‘ in Amsterdam. Seit 1995 schreibt sie sowohl für das Jugend- als auch für das Erwachsenentheater. 1998 war sie eine von 21 europäischen Autoren, die an einem Writers-in-residence-Projekt in Edinburgh teilnahmen, wo sie das Kurzdrama ‚Ein nagelneuer Tag‘ schrieb. Ende 2004 gründete Lot Vekemans ihre eigene Theatergruppe Stiftung M.A.M. (Mehrere Antworten Möglich). Für ihre Stücke wurde sie vielfach ausgezeichnet. Für ‚Gift‘ erhielt sie 2010 den Taalunie Toneelschrijfprijs. Weitere Stücke von Lot Vekemans sind u.a. ‚Truckstop‘ (2002) ‚Schwester von‘ (2005) und ‚Judas‘ (2013). 2012 veröffentlichte sie ihren Debütroman ‚Een bruidsjurk uit Warschau‘, der für den Anton Wachterprijs nominiert war.

Christian Schwochow präsentiert mit der Inszenierung ‚Gift‘ am Deutschen Theater seine erste Theaterarbeit. Schwochow wurde als Filmregisseur und Drehbuchautor bekannt. 2008 debütierte er mit dem Spielfilm ‚Novemberkind‘, in dem er bereits mit Ulrich Matthes zusammenarbeitete. Der Film erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Christian Schwochow wuchs in Leipzig und Ost-Berlin auf. Von 2002 bis 2008 studierte er Filmregie an der Filmakademie Baden-Württemberg. Die Drehbücher zu seinen Spielfilmen ‚Marta und der fliegende Großvater‘, ‚Novemberkind‘ und ‚Die Unsichtbare‘ schrieb er zusammen mit seiner Mutter, der Autorin und Regisseurin Heide Schwochow. Der TV-Zweiteiler ‚Der Turm‘ nach dem gleichnamigen Roman von Uwe Tellkamp brachte Christian Schwochow 2013 den Grimme-Preis ein. Sein jüngster Spielfilm ‚Westen‘ feierte im August 2013 auf dem kanadischen World Film Festival in Montreal seine Premiere, wo Schwochow den Preis der Filmkritiker- und Filmjournalisten-Vereinigung FIPRESCI erhielt.

Dagmar Manzel wurde in Berlin geboren. Nach dem Abitur absolvierte sie die Hochschule für Schauspielkunst ‚Ernst Busch‘ in Berlin. Nach einem dreijährigen Engagement am Staatstheater Dresden war sie von 1983 bis 2001 festes Ensemblemitglied des Deutschen Theaters Berlin. Auch später kehrte sie als Gast ans Deutsche Theater zurück, so etwa für die Rolle der Ranewskaja in Tschechows ‚Kirschgarten‘ (Regie: Barbara Frey, 2006). In Musiktheaterproduktionen wie ‚Sweeney Todd‘ von Stephen Sondheim an der Komischen Oper Berlin (2004) und Offenbachs ‚La Périchole‘ am Berliner Ensemble (2008) konnte Dagmar Manzel ihre großen musikalischen Qualitäten unter Beweis stellen. Seit Mitte der 1980er Jahre war die Schauspielerin auch häufig in Film- und Fernsehrollen zu sehen. Einem breiten Fernsehpublikum wurde sie als Eva Klemperer in dem TV-Mehrteiler ‚Klemperer – Ein Leben in Deutschland‘ und als Mutter in der Romanverfilmung ‚Der Laden‘ nach dem gleichnamigen Roman von Erwin Strittmatter bekannt. 2005 glänzte sie als ehrgeizige Spiegel-Journalistin in Matti Geschonnecks Fernsehfilm ‚Die Nachrichten‘ nach dem Roman von Alexander Osang. Im selben Jahr spielte sie die Ehefrau Albert Speers in dem mehrteiligen TV- Dokudrama ‚Speer und Er‘ von Heinrich Breloer. 2012 wurde Manzel für ihre Nebenrolle in Christian Schwochows Drama ‚Die Unsichtbare‘ mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Sie arbeitete u.a. mit Andreas Dresen, Hans-Christian Schmid, Romuald Karmakar und Helmut Dietl.

Ulrich Matthes ist einer der großen Charakterschauspieler des deutschen Sprachraums. Er wurde in Berlin geboren. Erste Engagements führten ihn an die Vereinigten Bühnen Krefeld/Mönchengladbach, ans Düsseldorfer Schauspielhaus und ans Bayerische Staatsschauspiel. 1988 wechselte er an die Münchner Kammerspiele, ab 1992 an die Schaubühne am Lehniner Platz. Ulrich Matthes ist seit 2004 Ensemblemitglied am Deutschen Theater. Hier spielte er u.a. in Inszenierungen von Jürgen Gosch und Barbara Frey. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2006 den Gertrud-Eysoldt-Ring für herausragende schauspielerische Leistungen sowie den im Rahmen des Berliner Theatertreffens 2007 verliehenen Theaterpreis Berlin der Stiftung Preußische Seehandlung. 2005 und 2008 wurde er in der Zeitschrift Theater heute zum Schauspieler des Jahres gewählt; 2008 erhielt er den Theaterpreis DER FAUST für die Rolle des Wanja in Jürgen Goschs Inszenierung ‚Onkel Wanja‘. Seit 2012 ist er Direktor der Sektion Darstellende Kunst der Akademie der Künste, Berlin. Ulrich Matthes spielt auch in vielen Kino- und Fernsehfilmen (darunter ‚Der Untergang‘, ‚Der neunte Tag‘). Die Zusammenarbeit mit Christian Schwochow begann 2008 mit dessen Film ‚Novemberkind‘ und setzte sich 2011 in ‚Die Unsichtbare‘ fort. Dem Publikum der Internationalen Maifestspiele ist Ulrich Matthes durch zahlreiche Gastspiele (darunter ‚Wer hat Angst vor Virginia Woolf‘, ‚Kinder der Sonne‘, ‚Onkel Wanja‘ und ‚Ödipus Stadt‘) bekannt.

Quelle: kulturkurier / Kulturclub.de

Wo ist das Event?
Hessisches Staatstheater Wiesbaden
Christian-Zais-Straße 3
65189 Wiesbaden
Wann ist das Event?
Dienstag, 20. Mai 2014
19:30 Uhr
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