Geldreigen

13. November 2014 in Stuttgart

von István Kerékgyártó.

Seid umschlungen Millionen, möglichst auf meinem Konto! Oder wenn es schon keine Millionen sind, dann wenigstens Hunderttausend. Oder Tausend oder wenigstens etwas für einen Schuss Heroin.

Wir sind im Ungarn des Jahres 2013. Ein Autor schreibt ein Stück, die Theater lehnen die Aufführung ab. Nicht etwa wegen mangelnder Qualität. Zu deutlich wird ausgesprochen und dargestellt, worum es geht: Um den Reigen des Geldes von den höchsten Kreisen bis hinunter zu den niedrigsten und wieder hinauf. Das ist zu politisch, zu gefährlich in Orbánungarn. Dieses Stück ist das Kurzportrait eines Landes der Europäischen Union. Ein Schnappschuss sozusagen.

Doch gute Schnappschüsse werden gründlich vorbereitet. Autor István Kerékgyártó, 1953 in Südungarn geboren, weiß, wovon er spricht – war er doch aktiver und erfolgreicher Teilnehmer des Geldreigens in der Nachwendezeit. Bis er 1999 mit seinem bis dahin geführten Leben radikal brach und sich zur Aufgabe machte, alles aufzuschreiben, was er aus nächster Nähe gesehen und erlebt hatte. Und er hat sehr viel gesehen. Er veröffentlichte einen Roman nach dem anderen, einer davon, „Rückwärts”, ist inzwischen auch in deutscher Sprache zu haben. Sein jüngster Roman ist im April 2014 unter dem Titel „Hurok” (Schlinge) in einem slowakischen Verlag erschienen, der ungarische Literatur vertreibt. Das Stück „Geldreigen” ist eine Dramatisierung dieses Romans.

Kerékgyártó (oder „Rademacher”, so stellt er sich übrigens deutschen Gesprächspartnern gegenüber gerne vor) hat die Struktur des Stückes „Reigen” von Arthur Schnitzler als Muster benutzt, nur dass es bei ihm vor allem ums Geld geht und nur am Rande um sexuelle Begegnungen.

Der Beginn des Reigens wird auf der höchsten Etage der Gesellschaft angestimmt, im Büro eines einflussreichen Ministers. Er fühlt sich von seinem Staatssekretär hintergangen und droht ihm, ihn platt zu walzen wie der Lastwagen einen Frosch. Den Staatssekretär sehen wir dann im Büro des Direktors eines staatlichen Unternehmens, der ihn betrogen hat. Auch der Staatssekretär fährt seinen ganzen Einfluss auf, um den Direktor an die Wand zu drücken und wie eine Zitrone auszupressen. Der wiederum hält sich am Besitzer einer Lebensmittelkette schadlos, dessen Opfer einer seiner Filialleiter ist. Der macht eine Angestellte des Lebensmittelladens fertig. Die Summe, um die die Auseinandersetzung mit der Kassiererin geht, ist schon sehr gering, sie zieht dennoch den Kürzeren und verliert ihren Job. Die Kassiererin stellt notgedrungen die Unterstützung für ihren drogenabhängigen Bruder ein, der von seinem Dealer lebensgefährlich bedroht wird. Aber es gelingt ihm, seine frühere Freundin zu überreden, sich für ihn zu prostituieren. Und sie trifft auf den Minister…

Wir erleben in diesem Stück eine Menschenkette, in der jedes Glied einmal Täter und das andere mal Opfer ist. Die Beziehungen, in denen diese Menschen zueinander stehen, sind tragisch, aber nach etwa anderthalb Stunden werden wir feststellen, dass selten eine Tragödie so komisch ist wie „Geldreigen”. Wir sehen zwar einen Querschnitt der heutigen ungarischen Gesellschaft, aber die Frage schleicht sich unaufhaltsam ein, ob wir die Elemente dieser komischen Tragödie nicht auch woanders her kennen...

Quelle: kulturkurier / Kulturclub.de

Wo ist das Event?
Theater tri-bühne
Eberhardstraße 61A
70173 Stuttgart
Wann ist das Event?
Donnerstag, 13. November 2014
20:00 Uhr
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